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Medizinisches Cannabis: Rausch auf Rezept?

13.10.2017 13:50 – Harald Engel jun.

medizinisches canabis auf Rezept

Das “Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften” sollte für Ärzte und Patienten vieles einfacher machen. In erster Linie sollte es schwerkranken Patienten den unkomplizierten Zugang zu medizinischen Cannabisprodukten ermöglichen. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 10. März 2017 ist nun gut ein halbes Jahr vergangen. Was hat sich geändert? Wie funktioniert die Verordnung von medizinischem Marihuana, und nach welchen Vorgaben haben sich Ärzte zu richten? Wir werfen einen Blick in die Praxis und geben Ihnen wertvolle Tipps für den Umgang mit Cannabis-Medikamenten.

Überblick: Welche Vorschriften regeln die medizinische Anwendung von Cannabis?

Die Debatten über den Umgang mit Hanf zu medizinischen Zwecken dauerten Jahre. Doch im Januar 2017 beschloss der Bundestag dann einstimmig einen Gesetzentwurf, der es schwerkranken Krebs- und Schmerzpatienten ermöglichen sollte, Cannabisblüten mit einem entsprechenden Rezept aus der Apotheke zu besorgen – auf Kosten der Krankenkassen. Für die Patienten endet damit ein kompliziertes und oft kostenintensives Verfahren. Vor der Gesetzesänderung mussten die Patienten zunächst bei der Bundesopiumstelle (BOPST) des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Ausnahmeerlaubnis beantragen. Erst dann konnten sie Cannabisprodukte erwerben und sich unter ärztlicher Aufsicht selbst therapieren.

Ärzte aller Fachrichtungen können medizinisches Marihuana verordnen

Mit dem neuen Gesetz ist eine Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) für Patienten jetzt nicht mehr nötig. Ob Cannabis als Medikament verordnet wird, entscheiden nunmehr allein die behandelnde Ärzte unter Rücksprache mit ihren Patienten. Besondere Qualifikationen oder Genehmigungen sind dafür nicht nötig. Grundsätzlich kann jede Ärztin und jeder Arzt, gleich welcher Fachrichtung, das Rezept auf medizinisches Cannabis ausstellen. Für die Kostenübernahme durch die Krankenkasse muss diese die Behandlung allerdings erst noch genehmigen.

Die gesetzlichen Regelungen im Einzelnen: Anwendungsbereiche bewusst offen gehalten

In erster Linie hat sich der Arzt im Rahmen seiner Verordnung nach den Vorschriften aus der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) und den neuen Voraussetzungen des § 31 des fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) zu richten. Die neuen Regelungen hat der Gesetzgeber in weiten Teilen bewusst offen gehalten, um dem breiten therapeutischen Spektrum von Cannabis gerecht zu werden und dem Arzt die Verantwortungshoheit bei der Behandlung zu übertragen.

Wann übernehmen die Krankenkassen die Kosten der Cannabis-Therapie?

Die Krankenkassen haben die Behandlung zu genehmigen und die Kosten zu tragen, wenn die Versicherten einen Anspruch auf die Versorgung mit Cannabis haben. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs hat der Gesetzgeber in § 31 Abs. 6 SGB V formuliert. Danach muss der Patient an einer “schwerwiegenden Erkrankung” leiden, für deren Behandlung eine alternative “allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung” entweder nicht zur Verfügung steht, oder “im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann”. Für die Verordnung von Cannabisprodukten muss lediglich “eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome” bestehen.

Im Gegensatz zu den vergleichsweise niedrigen Hürden auf Seiten der verordnenden Ärzte dürfen die Krankenkassen die Genehmigung nur in “begründeten Ausnahmefällen” ablehnen. Doch wann ist eine Therapie mit Cannabis-Medikamenten sinnvoll und wie sollte eine Verordnung konkret aussehen?

Der therapeutische Anwendungsbereich: Bei welchen Krankheiten kann Cannabis helfen?

Bis heute ist es der Wissenschaft nicht gelungen, verlässlich zu ermitteln, bei welchen Krankheitsbildern Cannabis eine wirksame Indikation sein kann. Die Therapie mit medizinischem Cannabis stützt sich deshalb leider immer noch auf Erfahrungssätze und  individuelle, immer wieder neu anzupassende Versuche, eine Linderung der Symptome herbeizuführen. Dennoch ist die positive Wirkung von Marihuana heute für viele Krankheiten allgemein anerkannt, auch wenn die konkrete Indikation häufig von individuellen Faktoren abhängig ist.

Es sind zahlreiche Erkrankungen und Symptome, bei denen mit medizinischem Marihuana positive Therapieergebnisse erzielt werden konnten. Zu den häufigsten Anwendungen gehören vor allem chronische – oftmals neuropathische – Leiden, wie zum Beispiel Schmerzen und Spastiken bei Multipler Sklerose oder Symptome des Tourette-Syndroms. Darüber hinaus reicht das therapeutische Spektrum über dermatologische Erkrankungen bis hin zu psychiatrischen Krankheiten wie Angststörungen, Depressionen oder Zwangsstörungen. Trotz der breiten therapeutischen Anwendungsmöglichkeiten ist der Erfolg einer Cannabis-Therapie bei keiner der genannten Krankheiten sicher. Schwierigkeiten bei der Indikation bereiten auch die vielen verschiedenen Sorten und Einnahmemöglichkeiten von Marihuana.

Wie Cannabis als Medikament verordnet werden kann

Die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) legt in § 2 Abs. 1 für Cannabis eine Höchstmenge von 100 Gramm in 30 Tagen fest. Da allerdings zahlreiche unterschiedliche Sorten Cannabis mit teils erheblich verschiedenem Wirkstoffgehalt (Tetrahydrocannabinol-Gehalt) existieren, kann die vom Patienten einzunehmende Menge THC bei 100 Gramm Cannabis zwischen 100 und 22.000 mg schwanken (Quelle: Dtsch Ärztebl 2017; 114(8): A 352-6). Darüber, welche Cannabissorten mit welchem THC-Gehalt für welche Beschwerden die größte Wirksamkeit entfalten, fehlen bislang verlässliche Angaben, die es vielleicht sogar niemals geben wird. Bei der Therapie sollte deshalb mit einer Cannabissorte vergleichsweise geringen THC-Gehalts und einer entsprechend geringen Dosierung begonnen werden, die bei Bedarf nach oben angepasst werden kann. Die erforderliche Menge THC kann von Patient zu Patient erheblich variieren. Die Patienten sollten also im Behandlungsgespräch darauf vorbereitet werden, dass eine Therapie mit Cannabis möglicherweise einige Zeit und mehrere Anpassungen braucht, um wirksam anzuschlagen.

Eingenommen werden kann Cannabis entweder oral (in Form von verarbeiteten Cannabisprodukten wie Öle oder Tabletten) oder durch Inhalation (entweder durch Rauchen oder Verdampfen mit einem Inhalator). Die Einnahme durch Inhalation führt zu einer schnelleren Wirkung, die orale Einnahme hat dafür eine erheblich längere Wirkdauer. Auch hier sollten mit den Patienten die Vor- und Nachteile der verschiedenen Einnahmemöglichkeiten diskutiert werden.

Checkliste: Das gehört zu einer Behandlung mit Cannabis

Trotz der vergleichsweise niedrigen gesetzlichen Hürden einer Cannabis-Therapie haben Ärzte im Rahmen der Verordnung einige Punkte zu beachten. Diese haben wir hier übersichtlich für Sie zusammengefasst:

  • Gemäß § 31 Abs. 6 S. 3 SGB V müssen Ärzte bei jeder Verordnung von Cannabis an einer vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) durchgeführten Begleiterhebung teilnehmen, damit die Kosten von der Krankenkasse des Patienten übernommen werden. Die Verpflichtung zur Teilnahme an dieser Erhebung soll für Verordnungen bis zum 31. März 2022 gelten.
  • Für die Verordnung von Cannabis muss ein sogenanntes Betäubungsmittelrezept (BtM-Rezept) verwendet werden. Auf diesem Rezept muss sowohl Menge als auch die Cannabissorte des verordneten Medikaments angegeben werden. Die Angabe “Cannabis” oder “Cannabisblüten” alleine reicht nicht aus. Darüber hinaus sind, wie für jedes BtM-Rezept, die Vorgaben des § 9 BtMVV zu beachten.
  • Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse ist keine zwingende Voraussetzung für die Verordnung von medizinischem Cannabis. Der Patient muss daher darüber aufgeklärt werden, dass seine Cannabis-Therapie mit einem Kostenrisiko verbunden ist, wenn die Krankenkasse die Behandlung nicht genehmigt. Für mehr Informationen zum Thema Wirtschaftliche Aufklärung lesen Sie jetzt unseren Beitrag “Wirtschaftliche Aufklärung von Patienten ist Pflicht für Ärzte”.

Fazit zu medizinischem Cannabis: Die letzte Hoffnung

Auch nach der Gesetzesänderung ist aus Marihuana weder Allheilmittel, noch Wunderwaffe gegen Krebs geworden. Für eine erfolgreiche Therapie gilt es viel zu beachten. Patienten sollten ausführlich über mögliche Risiken, Wechsel- und Nebenwirkungen aufgeklärt werden, bevor Sie die Empfehlung zu einer Cannabis-Therapie aussprechen. Doch für die meisten schwerkranken Patienten, für die eine Therapie mit medizinischem Cannabis in Betracht kommt, sind die Cannabisblüten aus der Apotheke oft die letzte Hoffnung zur Linderung ihrer Beschwerden. Diese Chance sollte den Patienten nicht verwehrt bleiben.

Haben Sie Patienten, bei denen eine Therapie mit Cannabis indiziert sein könnte? engelpunkt kann bei der Beratung im Medizinrecht auf langjährige Erfahrung zurückblicken. Sie haben noch Fragen zur Verordnung von medizinischem Cannabis? Wir unterstützen Sie gerne. Vereinbaren Sie dazu einfach einen persönlichen Beratungstermin in unserer Kanzlei.

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